Auf zum letzten Gefecht – die dritte Etappe lag vor mir
und es wäre gelogen wenn ich behaupten würde dass mir nicht ein wenig mulmig
gewesen wäre. Um 9:30 Uhr Ortszeit (also 8:30 Uhr bei uns) ging ich dann zum
Schotterplatz in Riga um den kleinen Racker zu starten. Bei Kilometer 186.955
sprang der Diesel willig an und nebelte ein wenig die Altstadt zu – egal…
Riga am Morgen |
Entgegen meinen Befürchtungen von Dramen auf den
lettischen Landstraßen verlief die Fahrt Richtung Grenze wirklich geschmeidig.
Kaum was los auf den Straßen und wenn doch Fahrzeuge da waren gab es
ordentliche Überholmanöver ohne jegliche Besonderheiten. Ab Rezekne wurden die
Straßen aber deutlich schlechter und der Spaßfaktor sank dementsprechend.
Nach 327 Kilometern erreichte ich die Grenze zu
Russland bei Zilupe um 14:55 Uhr Ortszeit – also gute 5,5 Stunden gebraucht.
Das aber völlig entspannt und mit einigen Zwischenstopps zwecks Kaffee (das
Thema McCafe hatte ich eh schon aufgegeben) an Tankstellen…
Ein wenig Besorgnis habe ich nun allerdings wegen der
Einspritzdüse an Zylinder Nr. 2 – da sprudelt der Diesel nun nicht nur an den
Leckölleitungen raus sondern auch komplett von unten aus der Vorkammer. Mist,
das gibt keinen guten Verbrauch wenn das Zeug da so wieder hochkommt. Aber was
soll ich machen? Umdrehen, Werkstatt oder einfach weiter fahren? Da der Trecker
an und für sich lief und auch nicht mehr oder weniger Abgase produzierte als
sonst und auch die Leistung (sofern man davon überhaupt sprechen kann) konstant
war – ab durch die Mitte und weiter…
Rezekne Richtung Zilupe - Lettland |
Die Grenze… Man liest viel und es ist nun nach eigenen
Erfahrungen viel Schwachsinn dabei. Die lettische Seite fragte sich eigentlich
nur warum man denn nach Moskau will und man interessierte sich dort viel mehr
für den W123 und die 3 Liter Maschine und wie teuer so ein Teil denn in DE ist.
Der Rest war ein wenig Laufzettel mit Stempel einholen und dann ging es auf
nach Russland.
Dort konnte keine Sau Englisch (aber schön an die
Grenze schreiben dass man hier Passport and Baggage control macht) und ich
wusste nicht was ich überhaupt machen soll. Na ja, Migrationskarte ausgefüllt
und in irgendeiner Hütte abgegeben und dann laberte mich die Olle da auf
Russisch voll. Wegen mir – auch egal… Dann sollte ich den Zollprozess
durchlaufen – ein Hinweis darüber was das überhaupt sein soll hätte mich
fröhlicher gestimmt. Na ja, irgendein Zöller wurde dann ein wenig „bestimmter“
und laberte mich auf Russisch voll und wedelte andauernd mit irgendwelchen
Zetteln rum. Irgendwann habe ich ihm dann auf Deutsch und Englisch ebenfalls
sehr bestimmt gesagt dass er mich den ganzen Tag anschreien kann, dieses uns
beide aber nicht nach vorne bringen wird solange er das nur auf Russisch macht…
Das scheint er irgendwie kapiert zu haben und schickte mich an die nächste
Hütte. Dort angekommen dachte ich nun man hat mich zu jemandem geschickt der
nicht nur Russisch kann – leider falsch, man hatte dort eine Kopie der
Zolldeklaration in Englisch. Da geht es dann darum wie viel Bargeld man dabei
hat (auch unter 10.000 USD) und welche Sachen einen bestimmten Wert haben. Also
habe ich brav meine ca. 290€ in drei Währungen angegeben und auch meinen Laptop
deklariert. Leider missfiel das Olga ein wenig (bedeutet ja Arbeit) und sie hat
dann alles wieder durchgestrichen und mir gesagt ich soll das neu ausfüllen –
diesmal auf einer Kopie in Deutsch. Geht doch… Idioten, warum nicht gleich so.
Dann hat Olga noch das Gepäck kontrolliert wollen – es dann aber aufgegeben da
alles zusammen locker 35 Kg (Obergrenze für den persönlichen Bedarf)
überschritten hat und sie auch zu blöde war die Fahrzeugnummer zu finden.
Völlig am Ende ihrer Kräfte öffnete sie dann den Schlagbaum und sagte nur „Go!“
– wozu denn der ganze Quatsch davor? Sollen sie gleich aufmachen und gut ist.
Zwei Stunden hat der Spaß gedauert und wenn ich gewusst hätte was man von mir
will und was ich machen muss hätte man das auch in 30 Minuten haben können. Die
beiden schnuckeligen 120 Kg Lettinnen (also pro Person) hinter mir waren schon
total sauer – aber was stellen die sich auch hinter jemanden der ein fettes „D“
an der Heckscheibe hat und kein „LV“ oder „RUS“? Die haben die ganze Zeit Olga
angemacht und die ist dann auch irgendwann ausgerastet und hat ihnen klar
gemacht dass einer nach dem anderen dran ist. Die beiden süßen Prinzessinnen
haben mich auch erst nachts gegen 0:30 Uhr überholt, also haben sie wohl noch
ein wenig Zeit an der Grenze verbracht, hehe…
Da war ich nun also in Russland – dem Mutterland des
Bösen (zumindest wenn man in Zeiten des kalten Krieges aufgewachsen ist, dann
ist das erst mal so) über das man selten was hört und wenn überhaupt sind es
Mythen und Gerüchte.
Mythos Nummer Eins – die Straßen sollen eine totale
Katastrophe sein. Tja, zum Teil sind sie ganz nett gemacht (d.h. sie haben
einen normalen Belag und auch Markierungen – halt wie eine Dorfstraße in (West)
Deutschland) und zum Teil sind sie einfach nur schlecht und verdienen den Namen
Straße nicht – wie gesagt, ich schreibe hier über die Magistrale M9, eine
Haupttransitroute. Dann gibt es allerdings noch etwas was schlimmer ist als
eine schlechte russische Straße – eine russische Straße die mit einer Baustelle
gesegnet ist.
Mother Russia - Markierungen kommen sicher noch |
Schmeiß drauf den Scheiss... Passt schon... |
Aber es fährt (also nicht mein Baby sondern das da vorne) |
Unbeschreiblich – folgende drei Sachen habe ich auf den M9 bis
Moskau erleben dürfen (sie können auch in Kombination auftreten – dann wird es
richtig spannend):
Schotter – als provisorischer Fahrbahn Belag verwendet,
bestehend aus kleinen bis faustgroßen Steinen und Sand. Total geil, man
schlingert immer so ca. 30 cm nach links und rechts hin und her ohne dass man
was daran ändern könnte. Natürlich bei Schrittgeschwindigkeit…
Ausfräsungen – wirklich nicht gut, der Höhenunterschied
kann schon mal gut und gerne lockere 20 cm betragen. In einer Baustelle musste
man teils auf der alten Strecke (Buckelpiste) und auf der ausgefrästen Spur
fahren – das wird dann halt ein wenig schief und wackelig, vor allem wenn der
Gegenverkehr 10 cm an einem vorbeirauscht – Absperrungen in der Mitte gibt es
nicht immer.
Absperrungen – wenn sie genutzt werden ist alles zu
spät. Fernlicht, Nebelleuchten und Schrittgeschwindigkeit sind oberstes Gebot.
Sogar die russischen Hardcore-Trucker die sonst permanent ihre 40 Tonner mit
Vollgas bewegen gehen hier in die Knie und machen es genauso. Ist halt schon doof
wenn plötzlich vor einem eine Plastikabsperrung auftaucht, meistens ohne
Wasserfüllung da oft defekt aber teilweise auch eben mit Wasser drin. Diese
rot-weißen Behälter sollen ja eigentlich flexibel die beiden Spuren trennen –
nur in RU wird flexibel anscheinend groß geschrieben, die Teile sind kreuz und
quer verteilt und man fühlt sich wie beim Slalom-Test diverser Automagazine.
Treten alle drei der genannten Dinge auf einmal auf –
Pech gehabt, Vollbremsung, Warnblinker und Daumen drücken dass nichts weiter
passiert.
Witzig wird es auch wenn man versucht von der
Magistrale abzufahren um einen Rastplatz zu besuchen – bei einer Tankstelle war
mir das wirklich nicht möglich. Ohne Geländewagen oder LKW keine Chance die
Krater / Schlaglöcher heile zu umfahren (ok, die angrenzende Wiese mit Erdhügeln
wollte ich nicht testen).
Also – nur mal die M9 betrachtet kann man unterm Strich
sagen dass Mythos Nummer Eins voll und ganz zutrifft. Es ist bis auf einige
Ausnahmen eine Zumutung auf russischen Straßen unterwegs zu sein (mit einem
normalen PKW).
Auch wird ja meist gesagt (Mythos Nummer Zwei) dass Russen
kein Auto fahren können und die „shitty russian drivers“ sind ja weltbekannt.
Na ja, sie können schon fahren (Vollgas versteht sich) aber leider beschränkt sich
ihr Wahrnehmungsvermögen größtenteils nur auf sich selbst. Vorausschauendes
Fahren oder auch nur der Hauch eines Überblicks der verkehrstechnischen
Gesamtsituation sind völlig unbekannt. Die LKW Fahren bilden da aber meistens
eine Ausnahmegruppe – sie lassen einen überholen oder freuen sich auch wenn man
sie überholen lässt. Nur der russische PKW an sich stellt kein Fortbewegungsmittel
dar sondern eine Waffe.
Extrem uncool wurde diese Verhalten in Moskau selber. Irgendwann
nachts so gegen 3:00 Uhr rollte ich dort rein. Nur eine grobe Vorstellung wo
ich ungefähr hin musste und zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Plan von den
Ausmaßen dieser Megacity. Eine Karte hatte ich auch nur von der Innenstadt und
mein Hotel liegt außerhalb der inneren Zone. Bis ich verstanden hatte wo und
wie ich die Schilder lesen muss (auf kyrillisch und sehen erst mal aus wie
Werbeschilder) war schon die erste Stunde wilder Fahrerei rum. Das wilde Fahren
ging noch ganz gut – eh keinen Plan und erst mal in eine Richtung fahren war
nicht schwer, da konnte ich auch mit 100 Sachen mithalten. Dann wurde es voller
und ich wusste auch immer mehr wohin ich genau fahren muss. Nur wenn man sich
nicht auskennt macht man hier und da mal Fehler und muss z.B. spontan Spuren
wechseln – jedoch weit und breit kein Russe der annähernd so viel Hirn gehabt
hätte von dem „D“ und dem fremden Kennzeichen darauf zu schließen dass sich
derjenige vielleicht nicht auskennt. Nein, man wurde trotzdem genötigt,
abgedrängt und andauernd an gehupt – Vollidioten.
Aber andere Länder – andere Sitten und in ein paar
Tagen werde ich mich ein wenig besser auskennen und auch den „wilden Ivan“
machen – hehe…
So gegen 6:30 Uhr unserer Zeit bin ich dann nach gut 22
Stunden am Hotel angekommen – mit dem Wunsch nie wieder Auto fahren zu müssen.
Na ja, der kleine Racker hat es überlebt und ohne Panne alles sauber abgespult.
Auch den 50 cm Krater (in einer Baustelle) hat er mir verziehen und somit werde
ich mal sehen ob nicht Mercedes-Benz in Moskau die Diesel-Sauerei an Zylinder 2
stoppen kann und auch den Kühlwasserverlust eindämmen kann.
Die gute Nachricht zum Schluss – das Traggelenkt ist
glaube völlig schockiert von den Buckelpisten und ist jetzt total ruhig… Krass…
Bei Kilometer 188.012 war dann am 28.09.2012 Schluss - Hinfahrt mit insgesamt 3.027 Kilometern erledigt. Zusammenfassung folgt später...
Hier noch die Karte auf Google - sieht etwas langweilig aus hat es aber definitv in sich ;-) Google-Maps
Done... |
Parking position - aber nur für den Moment :-) |
Na ja - lasst uns einen Hotelkomplex bauen... |
Kremlin... |
Kulturveranstaltung - Russische Lichtspiele |
Stalin Hochhaus (1 von 7) - Außenministerium |
Anbei noch ein Video für alle die mal in Russland auf der M9 mit dem Auto fahren möchten… Genau so sieht's aus ;-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen